Blei schadet Kindern auch in geringen Mengen

(pte/21.09.2009/13:50) - Die heutige Bleibelastung der Umwelt dürfte für Kinder noch immer gefährlich sein, obwohl es in der Vergangenheit schon viele Maßnahmen ihrer Reduzierung gab. Zu diesem Schluss kommen Experten am Centre for Child and Adolescent Health der Universität von Bristol http://www.uwe.ac.uk/ishe. Sie konnten zeigen, dass Störungen der intellektuellen und emotionalen Entwicklung oft mit erhöhten Blei im Blut einhergehen. Veröffentlicht wurde die Studie in der Fachzeitschrift Archives of Diseases in Childhood.

Die Forscher nahmen Blutproben von knapp 600 zweieinhalbjährigen Kindern. Bei 27 Prozent fanden sie mehr als fünf Mikrogramm Blei pro Deziliter Blut. Als man dieselben Kinder im Alter von sieben bis acht Jahren verschiedenen Leistungs- und Verhaltenstests unterzog, stellten sich Zusammenhänge zur früher erhobenen Bleibelastung heraus. Kinder mit fünf bis zehn Mikrogramm Blei erreichten bei Lese- und Schreibtests nur halb so viele Punkte wie Kinder mit geringeren Bleiwerten. Ab zehn Mikrogramm war zudem antisoziales Verhalten bis hin zur Hyperaktivität dreimal so häufig. "Kinderärzte sollten Kinder mit derartigen Auffälligkeiten nach Blei im Blut untersuchen. Denn Blei gehört zu den vielen Umweltfaktoren, die die Entwicklung beeinflussen", empfiehlt Studienleiter Alan Emond.

Blei ist ein Gift, das das Nervensystem des Menschen angreift. "Chronische Bleibelastung kann zu Verhaltensauffälligkeiten, zu Lethargie, Bewegungsstörungen, kolikartigen Bauchschmerzen und auch zur Minderung der Intelligenz führen"
, erklärt Martin Ebbecke vom Gift-Informationszentrum Nord http://www.giz-nord.de gegenüber pressetext. Anders als viele gefährliche Substanzen, die in kleinen Mengen für den Körper sogar notwendig seien, habe Blei keinen physiologischen Wert. "Einen unschädlichen minimalen Grenzwert gibt es somit nicht." Wenngleich Bleibelastung Hyperaktivität auslösen könne, hält es Ebbecke jedoch für falsch, die Störung nur auf diesen einzigen Faktor zurückzuführen, da eine Vielzahl von Ursachen beteiligt sein könnte.

Aufgenommen wird das giftige Schwermetall über die Umwelt. "Seit 1987 der Katalysator und das bleifreie Benzin durchgesetzt wurden, ging die Bleibelastung der Atemluft zurück und auch die Blutbleiwerte fielen schlagartig ab. Dennoch gibt es noch heute vermeidbare Bleiquellen", erklärt Roland Suchenwirth, Umweltmediziner am niedersächsischen Landesgesundheitsamt http://www.nlga.niedersachsen.de, im pressetext-Interview. Die wichtigsten Bleiquellen seien heute alte Wasserrohre aus Blei, die besonders in Altbauwohnungen weit verbreitet sind, sowie Armaturen, in deren Messing Blei enthalten ist. "Da die Standzeit entscheidet, ist beim ersten morgendlichen Aufdrehen des Wasserhahnes die Bleikonzentration höher", so Suchenwirth. In den letzten Jahren wurden auf Betreiben der Wasserversorger zahlreiche Transportleitungen ausgetauscht, Restbestände bleihältiger Rohre seien jedoch vor allem in Verbindungsstücken und Hausanschlussleitungen zu finden.

Aufgrund solcher Austauschprogramme ist in Deutschland das Wasser weniger stark mit Blei belastet als in England oder den USA. "Von unbedenklichen Grenzwerten sind wir jedoch noch immer weit entfernt", so Suchenwirth. Die WHO hat 1991 zehn Mikrogramm pro Liter Trinkwasser als Grenzwert der Bleibelastung festgesetzt, worauf die EU 1998 diesen Wert als Ziel einer 15-jährigen Übergangsfrist nahm. "In Deutschland, wo der Grenzwert einst 40 Mikrogramm war und jetzt bei 25 liegt, soll dieser neue Grenzwert 2013 erreicht werden."

Wie sich Bleikonzentration im Wasser auf das Blut auswirkt, wurde in Hamburg erhoben.
200 Frauen, die durch hochbelastetes Trinkwasser an ihrem Wohnort massiven Bleigehalt im Blut aufwiesen, stellten zu Versuchszwecken ihre Flüssigkeitszufuhr für fünf Monate von Leitungs- auf Mineralwasser um, oder sie ließen jeden Morgen fünf Liter Wasser aus der Leitung abfließen, um somit Bleirückstände zu reduzieren. "Beide Maßnahmen zeigten Erfolg, wobei die Konzentration bei der Ablaufmethode um 25 Prozent zurückging, bei Mineralwasser um 33 Prozent. Der Endverbraucher kann somit den Bleigehalt auch im Blut reduzieren, indem er morgens Wasser fließen lässt", rät der Umweltmediziner. (Ende)